Selbstbestimmt in allen Lebenslagen

Jeder Mensch ist selbst der beste Experte für sein Leben. Deshalb muss er auch selbst die Entscheidungen über sein eigenes Leben treffen dürfen – statt dass über ihn entschieden wird. Selbstbestimmung ist die konkreteste Form der Freiheit. Wir Freien Demokraten stehen für das Prinzip der „Lebenslaufhoheit“ ein. Denn jeder Einzelne trägt die Verantwortung für das eigene Leben, also muss er auch sein eigenes Leben in Freiheit formen dürfen. Freie Demokraten räumen Hindernisse aus dem Weg. Deshalb kämpfen wir für eine barrierefreie Gesellschaft.

Die deutsche Politik entfernt sich heute immer öfter vom Prinzip der Selbstbestimmung. Das Leben wird zunehmend durch eine Kultur des Misstrauens beherrscht. An die Stelle von Vertrauen und der Freiheit zur persönlichen Verantwortung treten mehr und mehr Gesetze, Vorschriften und Bürokratie für immer mehr Lebensbereiche. An die Stelle von Augenmaß und freiwilliger Übereinkunft tritt immer häufiger der Gesetzesbefehl. Das zieht dann ein ganzes Bündel an Maßnahmen nach sich, um die Einhaltung zu überwachen und durchzusetzen. Freie Demokraten sagen: Jede Gesellschaft braucht faire Spielregeln. Dafür setzen wir uns ein. Aber ein Spiel, in dem jeder Zug vorherbestimmt ist, lässt keinen Raum mehr für Freiheit und Selbstbestimmung.

Zu den wichtigsten Spielregeln zählen für uns die Bürgerrechte – wie sie auch in den Grundrechten des Grundgesetzes festgehalten sind. Sie schützen den Einzelnen und seine Entscheidungen gegenüber dem Staat in den wichtigsten Lebensbereichen. Sie garantieren einen gesellschaftlichen Raum der Freiheit, der Privatheit, der Individualität und der Vielfalt. Wir Freien Demokraten betonen das demokratische Prinzip der Subsidiarität. Die Entscheidungsfindung sollte in der kleinstmöglichen geeigneten Einheit stattfinden.

Wenn jeder Mensch seine eigenen Entscheidungen trifft, dann entsteht eine Gesellschaft der Vielfalt. In der globalisierten Welt mit mehr Mobilität für mehr Menschen als jemals zuvor ist Vielfalt die normalste Sache der Welt. Freiheit und Vielfalt sind Zwillinge. Politische Kräfte, die gegen Vielfalt Ängste schüren, bekämpfen in Wahrheit die Freiheit. Wir sind davon überzeugt, dass unter dem Dach unseres Grundgesetzes genug Platz für diese Vielfalt ist, wenn Einigkeit in einem besteht: Der Respekt vor den Grundrechten, dem Rechtsstaat und seinen Gesetzen.

Die Digitalisierung aller Lebensbereiche führt zur explosionsartigen Produktion personenbezogener Daten. Zudem werden die Technologien immer ausgefeilter, die aus diesem Meer an Daten Informationen über die Privatsphäre des Menschen ableiten. Wir Freien Demokraten wollen, dass jeder die sich aus der Digitalisierung ergebenden Chancen nutzen kann, ohne seiner informationellen Selbstbestimmung beraubt zu werden. Deshalb müssen wir Datenschutz neu denken. Der Staat hat seit jeher die Aufgabe, Leben, Freiheit und Besitztümer der Menschen zu schützen. In der Welt der Digitalisierung bedeutet dies, dass jeder Bürger die Kontrolle über seine Daten zurückerhalten muss – gegenüber öffentlichen Stellen und kommerziellen Datensammlern. Statt einer Vielzahl von Stellen ausgeliefert zu sein, die seine Daten gespeichert haben, soll jeder Einzelne bestimmen und kontrollieren können, wer wann und zu welchem Zweck Zugang zu seinen Daten hat. Wir wollen eine Eigentumsordnung für Daten entwickeln, um deren selbstbestimmte Verwendung zu ermöglichen. Staatlich verordnete Datensammelwut, wie die anlasslose Vorratsdatenspeicherung und die Fluggastdatenspeicherung lehnen wir entschieden ab.

Selbstbestimmung bedeutet auch, so leben zu können, wie man ist. Für uns Freie Demokraten sind alle Lebensgemeinschaften gleich wertvoll, in der Menschen nachhaltig füreinander Verantwortung übernehmen. Daher wollen wir, dass alle Paare die Ehe eingehen können. In einer Welt, in der die Menschen immer mobiler und älter und die Lebensmodelle vielfältiger werden, gibt es auch neue Formen von Gemeinschaft jenseits von Verwandtschaft oder Liebesbeziehung. Zum Beispiel unverheiratete Eltern, die zwar für ihre Kinder gemeinsam Verantwortung übernehmen, aber nicht zwingend füreinander. Oder ältere Menschen, die sich in Wohngemeinschaften gegenseitig ihre Unabhängigkeit bewahren. Jeder soll selbst entscheiden können, wer im Alltag, aber auch im Notfall, sein engster Kreis von Angehörigen ist. Deshalb wollen wir, dass mit einem neuen Rechtsinstitut der Verantwortungsgemeinschaft auch diesen Formen gegenseitiger Verantwortung der angemessene Schutz des Rechtssystems zu Teil wird.

Viele junge Mütter oder Väter sehen sich in der „Rush hour des Lebens“ vor die Alternativentscheidung zwischen Familie oder Karriere gestellt. Wir wollen junge Familien durch finanzielle Entlastungen, vor allem aber durch intelligente Unterstützungsangebote wie Gleitzeit-Kitas oder einfachere Möglichkeiten für Teilzeitstudium, Teilzeitqualifizierung, Teilzeitarbeit und Lebensarbeitszeitkonten unterstützen, damit beides möglich wird.

Wir fordern einen offenen Umgang mit den Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin – unabhängig vom Familienstand. Die Entscheidung über eigene Kinder ist höchstpersönlich und intim. Der Staat sollte sich hier zurückhalten. Moralisierender Traditionalismus hat hier keinen Platz. Das Wohl des Kindes hängt von der Liebe seiner Familie ab, nicht davon, wie es gezeugt wurde. Deshalb sind hier die Entscheidungen der künftigen Eltern zu respektieren.

Wer Angst vor existenzieller Not hat, handelt nicht frei. Er agiert wie ein Getriebener oder hält sich am Bestehenden fest. Daher benötigt eine freie Gesellschaft auch Institutionen, die dem Einzelnen beistehen, um existenzielle Risiken abzusichern. Solche Absicherung kann staatlich sein wie die Sozialversicherungen oder privat wie die Lebensversicherungen. Sie müssen aber in jedem Fall nachhaltig wirtschaften. Denn die Menschen können ihnen nur vertrauen, wenn sie dauerhaft und verlässlich agieren. Dazu wollen wir die Sozialversicherungen an das moderne Erwerbsleben anpassen – etwa mit einem flexiblen Renteneintrittsalter. Das sorgt für mehr Selbstbestimmung. Es gibt keinen Grund, einem Menschen vorzuschreiben, wann er in Rente geht: Die Lebenserwartung nimmt zu, und die Lebensentwürfe unterscheiden sich immer stärker – warum stellen wir jedem nicht frei, wann er in den Ruhestand gehen möchte? Ganz einfach und nachhaltig finanziert: Wer früher in Rente geht, erhält eine geringere, wer später geht, eine höhere Rente. Dazu wollen wir auch den gleitenden Übergang in den Ruhestand in Kombination mit einer Teilrente ermöglichen: Wer Teilzeit arbeitet, bekommt dann bei früherem Rentenbeginn den Verdienst nicht mehr von der Rente abgezogen. Eine älter werdende Gesellschaft muss auch nach dem Erwerbsleben auf mehr Selbstbestimmung setzen. Ältere Menschen wollen Erfahrungen weitergeben, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten noch etwas beruflich oder ehrenamtlich leisten. Dazu wollen wir die zahllosen gesetzlich angeordneten Altersgrenzen aufheben.

Barrierefreiheit ist für Ältere wie für Menschen mit Behinderung eine Grundvoraussetzung für Teilhabe. Auch bei zunehmenden gesundheitlichen Einschränkungen oder Behinderungen muss Selbstbestimmung die Leitlinie sein: Einerseits können Assistenz und ambulante Pflege das Leben in der gewohnten häuslichen Umgebung ermöglichen, andererseits sollen auch bei stationärer Pflege Privatsphäre und Wahlmöglichkeiten so weit wie irgendwie möglich erhalten bleiben. Das Pflegepersonal muss dabei durch den Abbau von Dokumentationspflichten wieder in die Lage versetzt werden, mehr Zeit für Mitmenschlichkeit und Kommunikation zu haben.

Zuwendung und soziale Verantwortung geschieht von Mensch zu Mensch. Viele Politiker wollen sie jedoch immer mehr in Sozialsysteme wegdelegieren. Systeme bieten aber keine Zuwendung, Leistungsansprüche verschaffen keine menschliche Wärme. Wir ermutigen die Menschen, füreinander Verantwortung zu übernehmen – sei es in Familie, unter Freunden oder in der Nachbarschaft. Diesen sozialen Kitt kann keine Wohlfahrtsbürokratie der Welt ersetzen.

Die Wahrung der Menschenwürde ist für Freie Demokraten der Maßstab allen Handelns – bis zum Lebensende. Wir respektieren in Grenzsituationen den selbstbestimmten Entschluss eines Menschen, seinem Leben ein Ende zu setzen. Hilfe hierzu – auch ärztliche – darf nicht kriminalisiert werden.